
Josine über Armut und Scham: „Die größte Hürde ist es, sich einzugestehen, dass man es nicht alleine schafft.“
Armut und finanzielle Sorgen sind oft näher, als wir denken. Auch bei Menschen, die arbeiten, wächst die Zahl derer, die Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen. Das hat große Auswirkungen – zu Hause, aber auch am Arbeitsplatz. Für Josine, Koordinatorin Strategische Partner und Projekte in den Niederlanden bei der Vebego Foundation, ist es deshalb besonders wichtig, dieses Thema offen anzusprechen.
Vom Regen in die Traufe
Josine erlebt in ihrer Arbeit, dass viele Menschen erst sehr spät um Hilfe bitten: „Viele haben das Gefühl, dass sie ständig weitergeschickt werden – von einer Stelle zur nächsten. Und oft stimmt das leider auch. Gleichzeitig fürchten sie die Konsequenzen, wenn sie zugeben, dass sie es alleine nicht mehr schaffen.“
Diese Schwelle sorgt dafür, dass es im Durchschnitt fünf Jahre dauert, bis Menschen sich Hilfe holen. „In dieser Zeit verschlechtert sich die Lage meist weiter. Die Probleme häufen sich, und die Lösungen werden immer komplexer.“
Scham durchbrechen
Mit der Vebego Foundation will Josine diese erste Hürde kleiner machen: „Die größte Hürde ist es, sich einzugestehen, dass man es nicht alleine schafft. Wir helfen dabei – notfalls anonym – diese Scham zu überwinden. Und wir zeigen: Es gibt Hilfe. Hilfe, die darauf ausgelegt ist, dass die Betroffenen die Kontrolle über ihre Situation behalten.“
„Die größte Hürde ist es, sich einzugestehen, dass man es nicht alleine schafft.“
Warnsignale erkennen
Laut Josine gibt es viele mögliche Anzeichen für finanzielle Sorgen: „Das ist von Person zu Person unterschiedlich. Manchmal sieht man Veränderungen im Verhalten oder im äußeren Erscheinungsbild. In anderen Fällen sind es ganz praktische Dinge – häufiges Leihen von Geld, Vorschussanfragen oder kein Mittagessen bei der Arbeit. Wenn man auf solche Signale achtet, kann das einen großen Unterschied machen.“
Zugang über die Kinder
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit Sam& für alle Kinder: „Viele bitten nicht gerne um Hilfe für sich selbst – aber für ihre Kinder schon eher. Das ist oft der Einstieg. Für die Kinder können wir direkt Unterstützung organisieren. Und so kommen wir auch mit den Eltern ins Gespräch. Gemeinsam schauen wir dann nach Lösungen – etwa durch Budgetcoaching, Schuldnerberatung oder die Unterstützung durch das städtische Hilfsteam.“
„Viele bitten nicht gerne um Hilfe für sich selbst – aber für ihre Kinder schon eher.“
Eine Botschaft an alle Kolleginnen und Kollegen
Am Ende hat Josine noch eine klare Botschaft an alle bei Vebego: „Hilfe zu suchen ist keine Schande. Es kann jedem passieren, dass es finanziell mal eng wird – durch eine Scheidung, Krankheit oder den Verlust eines Partners. Wenn wir offen über solche Situationen sprechen, können wir einander unterstützen und gemeinsam etwas bewirken.“